Ich war 10 Jahre alt und durfte als Akademikerkind in der sowjetischen Besatzungszone keine Oberschule besuchen. Seit 1946 hieß es für mich: Aufbruch früh um 5 Uhr, auch im Winter bei Eiseskälte mit dem Fahrrad zum Bahnhof, gemeint ist der Bahnhof Rehbrücke an der Strecke Beelitz - Heilstätten - Wannsee, von dem aus man wegen einer zerstörten Brücke nicht direkt nach Wannsee fahren konnte, aussteigen, zu Fuß über den Teltow-Kanal und weiter mit der S-Bahn bis Nikolassee, dann ein meckernder Hausmeister, weil ich zu früh kam und er extra für mich aufschließen mußte.6 Stunden Schule, anschließend zur Kirche Nikolassee, wo für mich als Kleinste und Bedürftigste Quäkerspeisung stattfand: zuerst ein Löffel Lebertran, trotz vielfachen Protestes, dann das Erbrechen und daraufhin keinen Appetit auf das Essen. Fortan kam das Essen in ein großes Kochgeschirr, das ich mit nach Hause nahm und wovon dann auch noch die Geschwister mitaßen. Und an jedem Tag wieder 2 1/2 Stunden Rückfahrt. Kaum zu glauben, daß ich das geschafft habe. Ich war aber auch wirklich klein und mickerig. Ein großer Junge aus der Nachbarschaft hob mich oft in den Zug; von ihm stammt das Wort: "Bettina ist so klein, daß man eigentlich nur das Wehrmachtskochgeschirr sieht."In der Schule fühlte ich mich sehr wohl; sehr ungern habe ich sie nach vier Jahren verlassen (10. Klasse), um in Potsdam weiterzumachen.Dr. Bettina Rosenberg geb. Grünbaum