Von Herbst 1926 bis Ostern 1932 - bis zur "Obertertia" - war ich Schülerin der Privaten Oberschule Nikolassee, die Fräulein Edith Lehwess gehörte, von uns Kindern ,,Lehwess-Penne" genannt. Mit der vollendeten Obertertia mußten wir, um das ,,Einjährige" (oder das Abitur) zu machen, überwechseln: "Lyzeum und Deutsche Oberschule Zehlendorf", wie damals die Droste-Hülshoff-Schule hieß; ihr war seinerzeit die Lehwess-Schule als Rektoratsschule beigeordnet.In der familiären Atmosphäre der kleinen Lehwess-Schule (der zweite Aufgang wurde erst nach dem Krieg gebaut) fühlten wir uns sehr wohl. Wir lebten in kleinen Klassen und hatten viel Kontakt mit der im Nebenhaus wohnenden Familie Lehwess. Fräulein Lehwess, ein feiner, gütiger Mensch, unterrichtete wohl vorwiegend Geschichte und war ebenso wie unsere Deutschlehrerin, Frau von Bissing, eine große Verehrerin Goethes; nach ihrer Pensionierung zog sie nach Weimar, wo sie auch gestorben ist.Der Geist der Schule war religiös-christlich geprägt; in den unteren Klassen beteten wir zu Beginn der ersten Stunde, und die Woche begann selbstverständlich mit der Morgenandacht für alle; ein enges Verhältnis bestand zwischen unserer Schule und der Kirchengemeinde Nikolassee. Auch zwischen dem Nikolasseer Pfarrer Hollmann und der Schule bestand eine enge Verbindung.Die familiäre Atmosphäre der Schule kam vielleicht in folgender Szene am besten zum Ausdruck: Wenn morgens zum Stundenbeginn Herr oder Frau Schibilski (unser Hausmeisterehepaar) die "Bolle-Glocke" am Stiel per Hand schwangen und sahen, daß noch jemand mit hängender Zunge angerannt kam, verlängerten sie das Geläut entsprechend, so daß er nicht zu spät kam.Hildegard Kuhnke geb. Everling