Nach langen Tagen und Nächten des Wartens am Elbufer, nach langen Märschen und abenteuerlichen Bahntransporten sind wir endlich aus der 1943 verordneten "Evakuierung" nach Berlin zurückgekehrt. Meine alte "Schule am Föhrenwald" steht noch, heißt aber bald "Malwida-von-Meysenbug-Schule".Ein geregelter Unterricht kommt erst langsam zustande - zunächst einmal räumen wir kräftig den Chemie- oder Physikraum auf; überall liegen noch Schutt und Schmutz. Die vollkommen verstaubten ausgestopften Vögel für den Bio-Unterricht tragen wir in die entsprechenden Unterrichtsräume und müssen sie als kostbares Unterrichtsmaterial behalten. 1945 ist Frau Schwenzer unsere Klassenlehrerin; große Aufregung herrscht, als eines Tages bei ihrem Unterricht die Tür aufgeht und uniformierte amerikanische Soldaten oder Offiziere die Schule beschlagnahmen wollen. Frau Schwenzers entsetzter Ausruf "but I am the teacher" ist noch in Erinnerung und hat wohl auch entsprechende Wirkung gezeigt! - Der Winter 1946 war an Kälte kaum zu überbieten - zu Hause hatten viele von uns nur einen geheizten Raum; Kohle war Mangelware, wir froren und sollten mit klammen Fingern die Schularbeiten machen. Da war es wie ein Geschenk des Himmels, daß am Kirchweg ein großes Gebäude von den Quäkern genutzt wurde (der Mittelhof) - dort durften wir uns nachmittags aufhalten, Schulaufgaben in Gemeinschaft verrichten und ab und zu einen warmen Kakao trinken - ein unbekanntes Wundergetränk zur damaligen Zeit.1946 erschien im etwas überalterten Lehrerkollegium eine junge liebe Referendarin: Gisela Behm wurde in unserer Klasse von einem strengen Gremium geprüft und durfte sofort in unserer Klasse Musikunterricht geben. Mit Elan erarbeite sie einen leistungsfähigen Chor, legte den Grundstein für unser Musikverständnis und gewann größte Anerkennung mit der Aufführung des Singspiels "Muguette" am 1. Juli 1948. Der Text von "Muguette" wurde von unserer Klassenkameradin Ursula Dudda geschrieben, vertont von Eberhard Wendeler und geprobt und betreut von Frau Behm. Die Aufführung war ein großer Erfolg für die Schule und unvergeßlich für unsere ersten künstlerischen Ambitionen im musikalischen Bereich.1949 legte unsere Klasse die erste Abiturprüfung der Schule ab. Erinnerungen kommen auf, zum Beispiel das Aufsatzthema: "Faust, die Bibel der Deutschen" - was mag aus den niedergeschriebenen Gedanken geworden sein? Nach 40 Jahren kann man sich kaum erinnern, wie dieses Thema verarbeitet wurde. Jedenfalls waren die mündlichen Prüfungen erfolgreich, und es wurde trotz der materiellen Beschränkungen kräftig gefeiert.Am 15. Juni 1999 werden wir das 50jährige Jubiläum unseres Abiturs hoffentlich ebenso fröhlich feiern wie die bestandene Prüfung im Jahre 1949!Gisela Berent (Abi 49)