Schulspeisung - ein Kapitel aus der Nachkriegszeit

Jeden Morgen wurden zwei oder drei große Thermoskübel, blau oder grün, vor dem Schulhaus an der von Luck-Straße 1 Schopenhauerstraße abgestellt. Auf dem Deckel stand mit Kreide "Meyse" geschrieben. "Meyse", das war abgeleitet von Malwida von Meysenbug. Nach dieser Frauengestalt aus der Zeit der 1948er Revolution war unsere Schule benannt, und das paßte auch in die Zeit des Aufbruchs nach dem zweiten Weltkrieg. War es ein Zufall, daß mit Frau Edith Schwenzner eine Frau unserer Schule vorstand? Wir selbst sprachen untereinander von unserer Schule als der "Malwida". Doch als unser Schulchor unter Leitung von Frau Gisela Behm zum dritten Mal den Chorwettstreit der Berliner Schulen gewonnen hatte, lag für manche die Assoziation mit "Meyse" nahe.Doch zurück zu den Kübeln! Herr Lenz, der Hausmeister, rollte sie gekonnt auf ihrer Unterkante die Rampe hinunter in den Fahrradkeller. Dort wurde dann in der Pause die Schulspeisung ausgeteilt. Das war in der Zeit, als trotz Zuteilung von Lebensmitteln und Heizmaterial und wegen der häufigen Stromsperren Mangel, Hunger und Kälte uns zusetzten, eine segensreiche Einrichtung der Besatzungsmächte. Alle Schulkinder erhielten so täglich eine kostenlose warme Mahlzeit. Bis zur Teilung der Stadt in eine östliche und eine westliche Hälfte ließ sich am Speisezettel ziemlich genau ablesen, welche der vier Militärverwaltungen gerade für die Warenzulieferung zuständig war. Es gab Reisbrei, Haferbrei, es gab Kakao mit Brötchen und Käse, und es gab Sauerkraut: Sauerkraut mit Erbsen, Sauerkraut mit Nudeln und es gab auch etwas undefinierbar Rotes (vielleicht Borschtsch?).In unserer Klasse war Hanna Fielitz. Sie war lange Zeit für die Essenausgabe zuständig und durfte deshalb immer fünf Minuten vor der Pause gehen. Die hatte es gut! Stand dann die Schlange von Schubsenden, Lärmenden, Lachenden mit ihren Näpfen vor den Kübeln, hat sie es verstanden, mit Umsicht und Geduld, mit Heiterkeit und Schlagfertigkeit dafür zu sorgen, daß kaum jemand zu kurz gekommen sein dürfte. Was ihr dieser Job (das Wort war damals noch nicht im Sprachgebrauch), die Aufgabe bedeutet hat und ob es ihr Spaß gemacht hat, wir können sie danach nicht mehr fragen. Bei unserem ersten Klassentreffen vierzig Jahre nach unserem Abitur von 1951 fehlte sie, und wir erfuhren: Hanna lebt nicht mehr. Aber wer von uns an Schulspeisung denkt, wird sie vor sich sehen, munter, mit der großen Schöpfkelle in der Hand.Elisabeth Apel, geb. Clotz (Abi 51)