Bereits seit Beginn der 10. Klasse planten wir mit Herrn Lucke eine Klassenreise in die DDR. Es gab damals jedoch zwischen beiden deutschen Teilstaaten kein Abkommen über mehrtägige DDR-Reisen von Schulklassen aus dem Westteil Berlins. Um das Unmögliche vielleicht doch zu erreichen, verfaßte ich auf Anraten Herrn Luckes einen Brief an den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, auf den ich, man höre und staune, auch bald eine Antwort bekam, die von der Generaldirektorin des DDR-Reisebüros Jugendtourist stammte. Die Verhandlungen mit dem uns genannten westlichen Partner von Jugendtourist gestalteten sich jedoch schwierig und schleppend, so daß die Reise nicht wie beabsichtigt in der 11. Klasse, sondern erst im zweiten Kurshalbjahr stattfinden konnte. Diesem Umstand verdanken wir jedoch einen Eindruck von der Lage in der DDR wenige Monate vor dem Zusammenbruch des SED-Regimes. Neben den zahlreichen Besuchen kultureller Stätten in Leipzig, Erfurt, Weimar, Jena und Eisenach waren vor allem die Begegnungen mit den Menschen ein Erlebnis. Hier sind einerseits das offizielle Treffen mit ganzen drei ausgewählten FDJlern unter Begleitung von vier Funktionären, die in ihrer Argumentation genau der offiziellen Linie folgten (in der Diskussion leugneten sie z. B. das Massaker in China) und andererseits die nicht organisierten Kontakte mit DDR-Bürgern und auch mit einer sowjetischen Reisegruppe (deren Offenheit uns übrigens sehr beeindruckte) zu erwähnen. Diese Eindrücke, die sich ja als nicht nachholbar erweisen sollten, haben meine Schulzeit wesentlich bereichert.Hjalmar Schröder (Abi 90)